Pressebericht TAH

18.09.2017

28. Jazz-Festival präsentiert musikalische Highlights

Außergewöhnliche Künstler - teils ungewohnte, teils vertraute Klänge

(ez) Diesmal zeigte sich das Wetter zu Beginn des Festivals wirklich nicht von der freundlichen Seite. Der Marsch der Streetband durch die Stadt fiel am Donnerstag buchstäblich ins Wasser. Unverdrossen spielten die Musiker auf der Bühne im Club als ersten Titel trotzdem „We shall walk through the streets of the city“. Schwungvolle Soli, beliebte Jazz-Evergreens und die schaurige Geschichte mit dem bekannten Refrain „Warte, warte nur ein Weilchen…“ boten reichlich Abwechslung. Mit zwei riesigen Tubas, Trompete, Posaune, Klarinette, zwei Banjos und zwei Trommeln ließ der Sound der Band klanglich nichts zu wünschen übrig und das Publikum zögerte nicht, als es bei einigen Titeln auch zum Mitsingen animiert wurde.

Nach einer kurzen Pause begann dann der Auftritt von Zed Mitchell und seiner Band und die Musik wechselte hin zu Blues, teils laut, teils versonnen leise und melodisch, teils rockig und immer für eine kleine instrumentale Überraschung gut. Saitenmagier ist Zed Mitchell genannt worden, Fingerakrobat träfe gleichermaßen zu. Sein Sohn – mit Künstlernamen Toshkê – an der zweiten Gitarre steht ihm da gerade um Nuancen nach, was auch in einem grandiosen Gitarrensolo-Dialog „Love is a game, love is a dream“ zu hören war. Zu der Band gehören außerdem der virtuose Drummer Peter Hensen und der Bassist Alex Felder. Zed Mitchell machte selbst die Ansagen, scherzte mit dem Publikum und ließ seinen rauen Charme spielen. Waren Titel wie „Springtime in Paris“ oder „I play my guitar“ im ersten Set eher versonnen melodisch, mit Vater und Sohn im Gesangspart, so drehten nach der Pause die vier Musiker noch etwas auf, es wurde intensiver, rockiger, kompromissloser. Die alten Balken vibrierten, die Zuhörer waren begeistert und sparten nicht mit Applaus.

Das Konzert am Freitagabend fand in Zusammenarbeit mit dem Freundeskreis Schloß Bevern in der dortigen Kapelle statt. Die Atmosphäre war angenehm, die Bestuhlung ansprechend locker gestellt, für Getränke war gesorgt, nur die Anzahl der Zuhörer hielt sich bedauerlicherweise in Grenzen. Die „Oldtime All Stars“ gaben dennoch ihr Bestes und konnten die anwesenden Gäste mit ihrer Mischung aus New Orleans-Titeln, karibischen Rhythmen und Jazz aus dem Chicago der 20er Jahre überzeugen. Besonders Drummerin Steffi Fust – die „schnellste New Orleans–Drummerin zwischen der Weser und dem Ural“ - bekam viel Applaus für ihr mitreißendes Spiel. „Pluto“ Kemper, zuständig für Banjo und Gitarre, führte kenntnisreich und launisch durch den Abend. Die Bläser, mit Uli Schulz an Trompete und Flügelhorn, Hans Hävker an der Posaune und Wilfried Steinmetz an der Klarinette, flochten immer wieder Soli ein. Auch der Kontrabass von Martin Fust war mit einigen schönen Soli zu hören, womit Bassisten sonst häufig eher geizig sind. Der Abend begann mit der „Bourbon Street Parade“ und endete mit den Zugaben „Oh, when the Saints“ und „Down by the Riverside“.

Am Samstag läutete der „Royal Garden Blues“ den Abend ein, gespielt von der Sleepy Town Jazzband. Dann ging es quer durch die traditionellen Titel, angefangen von der ältesten je auf Platte gepressten Nummer, dem „Original Dixieland One Step“ von 1917, über „Chinatown“ bis hin zu dem mitreißend schwungvollen Marsch „High Society“, wo besonders Trompete und Tuba glänzende Soli spielten. – Nach einer kurzen Umbaupause auf der Bühne präsentierten der Altsaxophonist Chris Hopkins und seine Band, die seit 20 Jahren unter der Überschrift „Echoes of Swing“ auftreten, ihre individuelle Auslegung des Swing. Der Eigenkomposition „Deep in the Shed“ folgte „Blue River“ von Bix Beiderbecke aus den 20er Jahren, eine herrlich swingende bearbeitete Gavotte aus Bachs Englischer Suite No. 1, sehr meditativ und wiegend das „Ballet of the Dunes“ von Chris Hopkins und auch der „Rag Time Dance“ von Scott Joplin, bei dem der Pianist Bernd Lhotzky begeisterten Applaus bekam. Und wieder wurde der „Original Dixieland One Step“ gespielt, in einer Bearbeitung, die das Original weit hinter sich und der Trompete von Colin Dawson Platz für ausgedehnte Phrasen ließ. „Ol‘ Man River“ – der Song aus dem Bühnenwerk „Showboat“ - besingt den breit und behäbig dahinfließenden Mississippi, doch die Band stellte ihn in flottem Tempo vor, mit Dissonanzen und Überraschungseffekten und einem fulminanten Schlagzeugsolo von Oliver Mewes. Das wirklich abwechslungsreiche Programm bot auch noch brasilianische Rhythmen, einen „richtig schmutzigen“ Blues mit einer richtig rotzigen Trompete und das sehr sanfte „Dreamdancing with you“, gesungen von Colin Dawson. Drei Zugaben erstritt sich das begeisterte Publikum an Ende des Abends, darunter eine ruhige Rumba und den „Royal Garden Blues“ – wegen der fortgeschrittenen Stunde mit doppeltem Tempo.

Jazz-Frühschoppen am Sonntag um 11 Uhr – eine lange und gute Tradition beim Festival. Eine kleine Besetzung des Streetband, nur mit Klarinette, Tuba, Banjo und Schlagzeug, spielte „Bill Bailey“, „Indiana“ – die Hymne des gleichnamigen Bundesstaates, „The world is waiting for sunshine“ und andere traditionelle Titel. - Die Hauptband des Tages,“ Mylène Kroon & Maesters“ um die niederländische Sängerin Mylène Kroon, die auch im klassischen Fach zuhause ist, lud ein zu „Nachtmelodien aus den Niederlanden“ und Jazzstandards. Der Bogen spannte sich vom behutsamen „de nacht lacht zacht“ über rasche energische Titel wie „fight“ und ein dynamisch swingendes „yesterday“ bis hin zu „ik lach in de nacht“, mit dem sich der Kreis schloss. Unter den Standards passte „Moonlight in Vermont“ gut zum leisen Teil des Programms und eine brausende „Route 66“ mit rasanten Pianoläufen zu den eher kraftvollen Eigenkompositionen. Die junge sympathische Band mit Matthias Klause-Gauster am Klavier, Manuel Bürgel am Bass und Max Klör am Schagzeug konnten die Zuhörer überzeugend in die Nachtwelten mitnehmen – und das ungeachtet der Mittagszeit und des Sonnenscheins vor der Tür.