Pressebericht JCH 16.4.2023

9. Weserbergland Bluesfestival vor vollem Haus

Begeistertes Publikum mitgerissen von Blues, Boogie, Soul und Rock’n‘Roll

(ez) „Whiskey on Valentines“ – ein Pfälzer und ein Badener – mit Gitarre, Gesang und Mundharmonika traten zu Beginn des Festivals am Freitag auf die Bühne. Zwei, drei suchende Töne auf der Harp, dann ging es zur Sache. Handgemachter Blues, ohne Schnickschnack, eingängig, erdgebunden und thematisch in der Tradition des Genres. „Frank“, der erste Titel, erzählt von einem üblen Gigolo, dessen Taten besser nicht genau beleuchtet werden sollten. Die Eigenkomposition „Summer at the Rhine“ ist laut, wüst und düster und hat so gar nichts mit Romantik und Lorelei zu tun. Die Gitarre stampft rhythmisch, die Klänge der Harp schlängeln sich drumherum. „Loony days“ ist dann doch sanft und gefühlvoll, da kommt eher Romantik durch. Peter Stahl mit seinen drei Gitarren und Theuderich Metzger, Gesang, Harmonika und Ansage hatten ihr Publikum voll im Griff, scheuten auch nicht große Gesten zum Unterstreichen der Texte. Den verdienten begeisterten Applaus beantworteten sie mit der Zugabe „Gasoline for breakfast“, wo das lange sehnsuchtsvolle Solo der Harmonika noch einmal Extraapplaus erhielt.

Danach wurde es voll auf der Bühne: die „Greyhound George Band“ trat mit gleich acht Musikern auf, die Kernband mit Greyhound George (git, voc), Dieter Kozak (p, organ), Andy Grünert (harmonicas), Detlev Schütte (dr) und Wolfgang Lohmann (b) erweitert um eine kraftvolle Bläsertruppe bestehend aus Aaron Haug (tp), Matthias Günther (sax) und Michael Meyer (tb). Sie spielen Blues wie aus dem Delta oder aus Chicago, dazu Boogie und Soul, virtuos, dynamisch, einfallsreich, mit vielen Soli und voller Spielfreude. - Alle gängigen Themen des Blues kamen zur Sprache: Alltag mit Missgeschicken, Sorgen kleiner Leute, Frust, Enttäuschungen und Liebe. „Simple man’s blues“ erzählt von einem, der die Welt nicht mehr versteht. „Twenty twenty“ ist der selbstgeschriebene „offizielle“ Coronasong über Leute, die nicht hinausdürfen und eigentlich alles nur falsch machen können. „Follow the money“ blickt nachdenklich skeptisch auf die Welt, „No time to cry“ ist sehr lyrisch und tief emotional. Und um die Liebe geht es in „No excuses anymore“ und „Please come back“. Die Gäste im Club hielt es kaum auf den Sitzen, einige versuchten in der Enge sogar ein paar Tanzschritte, der Applaus war stürmisch. In der ersten Zugabe präsentierten sich die Musiker noch einmal solistisch, die zweite Zugabe „Good year for the blues“ sollte „zum Runterkommen“ dienen, weckte aber eher erneut langen begeisterten Applaus.

Fans von Boogie-Woogie, Rock’n’Roll, Blues und Jazz kamen am Samstag gleichermaßen auf ihre Kosten. Das internationale Trio „Boogielicious“, 2008 gegründet, besteht aus dem virtuosen Eeco Rijken Rapp am Piano, David Herzel am Schlagzeug und Martin Fetzer (nomen est omen) an der Bluesharp. „Off the wall“, ein wilder Boogie von Little Walter stand am Beginn des Auftritts. Der Funke zum Publikum sprang sofort über und keiner ließ sich lange bitten, rhythmisch mitzuklatschen. Die Eigenkomposition „Summer nights“ ist momentan das Lieblingsstück der Band, ein Swing mit einem unheimlich flinken Pianosolo. Lebenshilfe verspricht der Titel „Prescription for the blues“, also am besten bei Problemen den Doc aufsuchen und sich ein Rezept für eine Portion Blues holen. Der wilde „Midnight Boogie“ – „den spielen wir normalerweise durch bis 24 Uhr“ – beendete den ersten Set. Danach gab es unter anderem den „Monday morning blues“ für Unausgeschlafene und von Django Reinhardt den bekannten „Minor Swing“, die Bluesharp spielte in fulminantem Tempo die Melodie, Piano und Schlagzeug hielten sich zurück. Langanhaltender begeisterter Applaus holte das Trio zu einer Zugabe zurück, es gab, auch zum Mitsingen, den Boogie „Shake, rattle and roll“.

„Till Seidel & his Band“ beschlossen mit kraftvollem Rhythm’n’Blues und Soul das Festival und hoben sich stilistisch deutlich von den anderen Bands ab, womit die große Bandbreite des Blues gut präsentiert wurde. Till Seidel ist zugleich Gitarrist, Sänger und Songwriter, an Piano und Orgel bediente Dennis Koeckstadt gekonnt und abwechslungsreich die Tasten, sein Bruder Jan Koeckstadt saß am Schlagzeug und Dirk Vollbrecht spielte den Bass. „Get on board“, der Titelsong der CD von 2020, stand mit drängenden Rhythmen am Beginn des Konzerts. Kenner meinen, Till Seidels Gitarrenspiel erinnere an die großen Gitarristen der 60er Jahre. Auf jeden Fall ist er offensichtlich mit Leib und Seele bei seiner Musik und überzeugt mit sowohl mit seiner Stimme als auch seinem virtuosen Gitarrenspiel. Blues aus dem Chicago der Nachkriegszeit, Rock’n’Roll und Boogie, Soul und Rhythm’n’Blues bilden das Repertoire der Band. Suggestiver Rhythmus – „Only get my baby“ – animiert die Gäste im Club zum Schnipsen und Klatschen. Wieder spielt die Liebe in vielen Titeln eine große Rolle, so in „Baby don’t cry“ und auch bei den letzten Stücken des Abends „If love will travel“ und „Half time lover“. Lange war nicht mehr so viel junges Publikum im Club, der Blues kennt eben keine Altersgrenzen und alle waren vollauf begeistert.